Die Verabredung

von Monika Zenker

  

Es klingelte an der Haustür und sie rief etwas lauter, damit man sie auch dahinter verstehen konnte: »Moment!«

Sie öffnete noch einmal die Tür zum Wohnzimmer, in dem sie den Tisch mit Lachsschnittchen, dem Sektkübel mit einer gut temperierten Flasche Sekt sowie einem Blumenarrangement liebevoll gestaltet hatte.

Seit sie wusste, dass er zu ihr kommen wollte, hatte sie drei volle Tage damit verbracht, ihre Wohnung picobello herzurichten. Sie hatte ihn eingeladen, damit sie auch ein reales Bild voneinander bekamen, nach der langen Zeit, die sie tagtäglich gemeinsam die Buchstaben über den Monitor laufen ließen.

Wie oft war sie mit Freunden unterwegs gewesen, um sich einen Partner zu suchen, der sie auch verstand und nicht nur als bessere Putzfrau oder Kindermädchen sah. Wobei sie kurz an ihre Kinder dachte, die ihr vor drei Jahren bei der Scheidung zugesprochen worden waren und die sie für den heutigen Tag zu einer Freundin gebracht hatte. Sie wollte die Stunden mit diesem Mann genießen, um in Ruhe festzustellen, ob es eine gemeinsame Zukunft geben könnte.

Sie warf noch schnell einen Blick in den Flurspiegel, richtete sich das gut liegende Haar. »Ganz ruhig - wird schon«, sagte sie leise zu sich selbst. Bei dem Gedanken, dass sie ihn verführen wollte, überzog sich ihr Gesicht mit einem Schmunzeln.

Nun drückte sie die Klinke herunter und sah ihn, der sich doch ein paar Minuten geduldet hatte. Sie war erstaunt, denn er musste bei seinen Erzählungen ein wenig geflunkert haben, sie hatte ihn sich etwas anders vorgestellt.

»Komm doch erst mal herein«, hörte sie sich sagen und machte das auch mit einer Geste deutlich, als sie vorging, um die Zimmertür des Wohnzimmers zu öffnen. Sie duzte ihn gleich und er hatte scheinbar auch nichts dagegen, denn sie kannten sich ja nicht anders vom Netz.

»Oh man, ist der schüchtern«, dachte sie, »das kann ja heiter werden«. Er hatte außer dem »Hallo« noch nichts gesagt und schlich nun eher wie ein Kater hinter ihr in das Zimmer und nahm etwas zögerlich den Platz ein, den sie ihm anbot.

Sie hingegen kam aus dem Erzählen überhaupt nicht heraus, denn sie war nervös, war sie doch seit ihrer Scheidung das erste Mal wieder mit einem männlichen Wesen allein.

Es klirrte, als sie die Gläser anstießen und den ersten Schluck des Sekts tranken, den sie nebenbei eingeschenkt hatte. Er ließ es sich auch nicht zweimal sagen, dass er sich eines der Schnittchen greifen sollte.

»Die schmecken lecker«, sagte er halb kauend, und sie war froh, dass er nun auch einmal den Mund bewegte. Zumindest durch ihre hausfraulichen Fähigkeiten schien sie überzeugt zu haben.

Sie wusste nicht mehr, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Ein Gefühl machte sich in ihr breit, dass es einer Erklärung bedurfte. Also begann sie zu erzählen und zu erklären, warum sie die Möglichkeit der virtuellen Welt nutzte und warum sie sich zu diesem Treffen entschieden hatte. Sie ging davon aus, dass nun genügend Gesprächsstoff vorhanden war, um eine Unterhaltung in Gang zu bringen, aber es blieb bei dem Versuch. Er sagte einfach nichts, aß die Schnittchen, trank den Sekt und lauschte ihren Ausführungen.

Sie schaukelte unruhig auf dem Sessel hin und her und kam zu der Überzeugung, dass es vielleicht ein wenig helfen könnte, wenn sie ihm die anderen Räumlichkeiten zeigte, und so machten sie sich auf den Weg durch ihre kleine Wohnung. Auch hier war sie es wieder, die die einzelnen Gegenstände erklärte und auch woher sie stammten, denn meistens waren es Erinnerungen an schöne Zeiten.

Dann standen sie im Schlafzimmer und bevor er nun etwas sagen konnte, womit sie auch nicht rechnete, ging sie zum Angriff über und küsste ihn einfach. Die Überraschung des Kusses musste wohl doch zu heftig gewesen sein, denn sie verloren das Gleichgewicht und fielen aufs Bett …

Plötzlich klingelte es erneut an der Haustür. Erschrocken sah sie zu dem verdutzt neben ihr Liegenden, der sich noch von der Überrumpelung zu erholen schien, und sagte: »Moment, das wird irgend so ein Vertreter sein, der immer im ungünstigsten Moment stört. Ich schau kurz und bin gleich zurück, nicht bewegen.«

Sie öffnete die Tür und ihr sprang ein überdimensionaler Blumenstrauß entgegen, der sich langsam nach unten bewegte. Es kam eine solch stattliche Erscheinung zum Vorschein, dass es ihr den Atem nahm.

»Hallo, ich muss mich entschuldigen, aber die Autobahn war so voll und du hast dein Handy ausgeschaltet, so dass ich dich nicht erreichen konnte.«

Sie stand einfach nur sprachlos da und dachte auch an den Mann, der sich auf ihrem Bett nicht bewegen sollte, der aber nun in den Flur trat, die beiden ansah und so schüchtern und hilflos, wie er sich auch die ganze Zeit verhalten hatte, endlich etwas sagte: »Könnten Sie mir die Wasseruhr zum Ablesen zeigen?«

 

Veröffentlichung 2014-2016 im Buch: Gedanken die der Wind ...


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